Leben im schwimmenden Dorf
Als willkommene Abwechslung zu den ganzen Tempelbesichtigungen unternahmen wir zwischendurch einen Ausflug zu dem Tonle Sap – Südostasiens größter See und einer der fischreichsten Binnengewässer der Erde.
Der südlich austretende Tonle-Sap-Fluss fließt in den Mekong. Jährlich spielt sich hier jedoch ein einzigartiges Naturschauspiel ab. Durch den Monsun und Schmelzwasser aus dem Himalaya führt der Mekong im Juni extrem viel Wasser, wodurch sich die Fließrichtung des Tonle-Sap-Flusses ändert. Der See beginnt sich zu füllen, wird fast mehr als dreimal so groß und mit 14m fünfmal so tief. Erst im November wechselt der Fluss wieder seine Fließrichtung und der Wasserstand geht allmählich zurück. Dieses Phänomen wirkt sich auf den Fischfang und den Reisanbau aus, die zwei wichtigsten Wirtschaftszweige Kambodschas.
Auf dem Tonle Sap verkehren täglich Fähren, was eine interessante Alternative zum Bus, Taxi oder Flugzeug für Backpacker sein dürfte. So kannst du während einer etwa fünf-stündigen Bootsfahrt von der Hauptstadt Phnom Penh bis in die Nähe von Siem Reap fahren, was natürlich auch umgekehrt möglich ist.
Wir steuerten mit Siv und seinem Tuk Tuk das schwimmende Fischerdorf Chong Khneas an, das aufgrund seiner Nähe zu Siem Reap ein beliebtes Ausflugsziel bei Touristen ist. Wer sich die Zeit nimmt und etwas weiter raus fährt zu abgelegeneren Stellen am See, umgeht den touristischen Trubel. Bootstouren zu den schwimmenden Dörfern und durch das Ökosystem werden auch von wo anders aus angeboten. Unsere knapp einstündige Fahrt war bereits ein Erlebnis für sich. Wir kamen raus aus der Stadt und fuhren durch kleine Dörfer, wo es Märkte gab und Handel betrieben wurde. Wir genossen die Tuck-Tuk-Fahrt und bestaunten die andere Kultur. Riesige Reisfelder zogen an uns vorbei, bis wohin vor ein paar Monate noch der See vorgedrungen ist.
Am Siem-Reap-Pier kauften wir die Tickets für eine Bootsfahrt, was uns zusammen 40 USD kostete. Ein stolzer Preis für so ein armes Land wie Kambodscha. Auf unserem privaten Boot fuhren wir mit unserem „Kapitän“, der noch recht jung erschien, hinaus zu dem schwimmenden Dorf. Die Häuser hier werden aufgrund der sehr großen Schwankungen des Wasserstandes auf riesigen Stelzen von bis zu 15m Höhe gebaut. Deshalb ragten zu unserer Reisezeit Ende November die Gebäude ganz schön weit aus dem Wasser heraus. Wie auch schon in Vietnam in der Halong Bucht waren wir fasziniert von dem Leben, was die Menschen hier führen.
Ein quirliges und buntes Bild aus einer so andersartigen Welt zeigte sich uns. Es gibt einen großen Tempel, eine Schule, einen Arzt, ein Restaurant für Touristen und der Handel findet über Boote statt. Überall sieht man Fischer, Kinder spielen im Wasser, Hunde und sogar Hühner werden auf dem See gehalten.
Wir wechselten in ein kleineres Boot und ließen uns von einer Frau durch die Mangrovenwälder paddeln, um einen Eindruck von dem besonderen Ökosystem zu bekommen. Wir hatten Glück und sahen eine Bande Affen durch die Bäume springen.
Natürlich war dieser kleine Ausflug nicht mit im Preis inbegriffen und wir wurden im Anschluss zur Kasse gebeten. Händler versuchten während der Bootsfahrt uns ihre Ware aufzuschwatzen und Leute bettelten um ein paar Dollar. Die Dame ließ uns im Anschluss natürlich noch an einem Restaurant raus, wo wir etwas essen sollten. Die ganze Situation, dass die Menschen hier versuchten, permanent aus uns Touristen jeden Dollar herauszuholen, hinterließ einen negativen Beigeschmack. Doch wir versuchten trotz dessen den Ausflug zu genießen und lehnten höflich ab. Unser Kapitän sammelte uns wieder ein und wir fuhren noch kurz aus dem schwimmenden Dorf hinaus zum offenen See, um einen Eindruck von der enormen Größe zu bekommen. Und wir waren definitiv beeindruckt! Es fühlte sich an, als ob wir auf dem offenen Meer wären, da wir bis zum Horizont kein Ufer sehen konnten.
Nun tuckerten wir wieder zurück entlang des Fischerdorfes und hatten nochmal Gelegenheit, ein paar tolle Schnappschüsse zu erhaschen. Unterwegs hielt unser Kapitän hie und da noch ein kurzes Schwätzchen mit den Leuten und ein Kind sprang auf unser Boot, um sich als Steuermann auszutesten.
Auf dem Weg zurück vom Tonle Sap kamen wir an einer Krokodilfarm vorbei, die wir schließlich noch besuchten. Einst lebten im Tonle Sap zahlreiche Krokodile, doch diese wurden alle herausgefischt, sodass es heute kein einziges mehr im See gibt. Angeblich war das Leben hier mit den Krokodilen zu gefährlich. Die Tiere landeten in den Krokodilfarmen, wo sie letztendlich zu Trockenfleisch, Schuhen, Handtaschen oder anderen nutzlosen Souvenirs verarbeitet werden. Somit wird klar, dass der Tourismus und kommerzielle Zwecke eigentliche Gründe für das Leerfischen gewesen sein müssen.
Etwas misstrauisch kauften uns zwei Tickets und waren die einzigen Besucher. Siv durfte sogar kostenlos mit rein kommen. Die Frau am Eingang pfiff einen kleinen Jungen heran, der uns durch die Farm führen sollte. Unsrer Guide, höchstens fünf Jahre alt, zeigte uns die verschiedenen Becken, wo zahlreiche Krokodile in allen Größen herumlagen. Nach und nach kamen mehr Kinder hinzu, die um uns herumsprangen. Wir durften zuschauen, wie die Krokodile gefüttert wurden und erhielten ein paar Informationen.
Wir schauten uns noch die Aufzucht an. Die Kinder waren bereits zu den Minikrokodilen hereingesprungen und drückten Patrick sogleich eins in die Hand. Unvorstellbar, dass aus so einem kleinen Wesen mal ein so gigantisches wird und letztendlich als Handtasche endet. Der Besuch stimmte uns definitiv nachdenklich und traurig. Trotz der spannenden Eindrücke und die Erfahrung, den faszinierenden Wesen so nah gekommen zu sein, bereuten wir unseren Besuch der Krokodil-Farm. Die Haltungsbedingungen sind in Asien alles andere als Artgerecht. Kein Lebewesen hatte es verdient, so zu leben und zu enden.
Was lohnenswert gewesen ist, war der Kontakt zu den Einheimischen und den Kindern. Die Farm war eingeschlossen von Reisfeldern und es war sehr üppig grün und ländlich. Wir wurden von den Kindern über das Gelände geführt und bekamen einen guten Eindruck über das Leben der Einheimischen.