Insgesamt hatten wir für Kambodscha nur knapp 10 Tage zur Verfügung, weshalb wir uns entschieden, die komplette Zeit in Siem Reap zu verbringen. Hauptgrund dafür war, dass sich die Stadt nur einen Katzensprung weit weg von den weltberühmten Tempeln von Angkor befindet und somit idealer Ausgangspunkt für eine Entdeckungstour ist.
Sie wird deshalb auch als „Tor zu Angkor“ bezeichnet. Deshalb ist hier in der mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern eher kleineren Stadt auch ordentlich was los. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat Siem Reap die meisten Touristen im Jahr. Reich an Sehenswürdigkeiten ist Siem Reap weniger, sondern vielmehr ist das meiste auf den Tourismus ausgelegt. Am Rande der Stadt befinden sich überall riesige Hotel- und Resortanlagen sowie Spatempel. Trotzdem ist es uns nie langweilig geworden, da uns die Stadt mit ihren Einwohnern so viele Eindrücke bot.
Fortbewegungsmittel Nummer eins in Siem Reap ist das Tuk Tuk. Wenn wir jedoch nicht gerade mit Siv und seinem Tuk Tuk unterwegs waren, legten wir viele Strecken zu Fuß zurück. Wenn man jedoch als Ausländer zu Fuß unterwegs ist, muss man nur damit rechnen, ständig und überall von den unzähligen Tuk-Tuk-Fahrern angesprochen zu werden. Das kann mit unter ganz schön anstrengend werden. Es gibt einfach sehr viele davon und alle erhoffe sich, dass man auch gleich eine Tour nach Angkor bucht. So bekamen wir sogleich einen Eindruck davon, was für ein hart umkämpftes Business das sein muss, in dem Siv tätig ist.
Siem Reap ist ein recht überschaubares Städtchen und der Verkehr ist eher angenehm. So konnten wir uns die Umgebung in aller Ruhe anschauen und bekamen einen guten Eindruck von dem Alltagsleben der Kambodschaner. Sehr präsent ist hier der Buddhismus, der uns immer wieder sehr faszinierte. Wir schauten uns immer wieder gerne die prunkvollen und sehr liebevoll gestalteten Tempelanlagen an. In einer kamen wir sogar mit einem Mönch ins Gespräch und lernten noch einiges über die Religion und die aktuell politische Lage im Land.
Im Zentrum gibt es eine unter Backpackern bekannte Pub-Street, die an sich nicht ganz in das sonstige Stadtbild passt. Hier reiht sich eine Bar an die nächste und man kann günstig Bier und Cocktails trinken. Es gibt zudem günstige Restaurants. Natürlich ließen wir uns das nicht entgehen und gönnten uns auch mal einen alkoholischen Drink zur Happy Hour (die übrigens den ganzen Tag ist) für 1,50 USD. Man könnte sagen, es ist wie die „Kleine Khao San Road“ in Kambodscha, nur fehlt ihr ein wenig der Flair im Vergleich zu dem thailändischen Original. Was wir als etwas schade empfanden, ist, dass man hier fast ausschließlich auf Touristen trifft und der Lautstärkepegel der Musik ist nicht für jedermann etwas.
Wir schlenderten des Öfteren über die zahlreichen Märkte ganz in der Nähe der Pub Street und schauten uns fasziniert das breite Angebot an frischem Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und exotischen Gewürzen an. In fremden Ländern gibt es immer neue Sorten an Früchten zu entdecken, wie wir fasziniert feststellten. So ein Besuch von lokalen Markthallen wie dem Old Market in Siem Reap ist immer eine totale Reizüberflutung der Sinne. Des Weiteren gab es unzählige Stände mit Klamotten, Souvenirs und jeden möglichen Klimbim für Touristen, zwischen denen wir uns des öfteren verloren. Hier kauften wir uns günstig ein paar neue Oberteile und andere kleine Dinge. Nur leider war die Shoppingatmosphäre nicht ganz so entspannt wie in Thailand, da man, wenn man nur einen Funken von Interesse zeigte, gleich von einer Schar emsiger Verkäuferinnen umzingelt war. Zwischendurch gab es zur Erfrischung einen frisch zubereiteten Smoothie.
Gleich neben dem Nachtmarkt gab es noch eine Straße, in der man sich wunderbar die Zeit vertreiben konnte. Hier gönnten wir unseren vom vielen Laufen in Mitleidenschaft gezogenen Füße etwas Wellness. Wir gaben uns den Knabberfischen hin, welche sich hungrig über sie hermachten. Danach hatten wir rosige, samtweiche Füße und es hat uns zudem viel Spaß bereitet.
Durch unseren Aufenthalt bei Siv und seiner Familie wurden wir mit einem uns bis dahin unbekannten traurigen Ereignis aus der Geschichte von Kambodscha konfrontiert. Von 1975 bis 1979 kamen die Roten Khmer mit Pol Pot an die Macht. Ziel war es, einen autarken, radikal-kommunistischen Bauernstaat zu errichten. Zu der Zeit herrschte ein unvorstellbarer Bürgerkrieg. Die Freude über den Regierungswechsel hielt nicht lange an. Die Menschen aus der Stadt wurden auf das Land zur Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen verdammt. Bestimmte ethnische, religiöse und soziale Gruppen mussten besonderes Leid erfahren. Es wurden sogar Brillenträger getötet oder Menschen mit einem akademischen Grad. Viele starben an Hunger, Durst, Krankheiten oder wurden von den Aufsehern erschlagen und neben den Feldern auf den sogenannten „Killing Fields“ begraben.
Diese Grausamkeiten mussten Siv und seine Familie als Zeitzeugen am eigenen Leib erfahren. Er erzählte uns unvorstellbare Geschichten aus seiner Kindheit und Jugend. Am Tag hatte er gerade mal eine Hand voll Reis zum leben und musste harte körperliche Arbeit verrichten. Ihm gelang es zu fliehen und er schlug sich alleine durch. Seine Mutter und Schwester verstarben zu der Zeit und mit ihnen geschätzt mehr als zwei Millionen weitere Kambodschaner.
Wir beschlossen uns mit dem traurigen Thema näher auseinander zu setzen. Für viele Kambodschaner ist ein Besuch des Kriegsmuseums unvorstellbar, da die Ereignisse noch nicht lange zurück liegen. Zusammen mit dem Kolumbianer Julio, der auch für ein paar Tage bei der Familie zu Gast gewesen ist, ließen wir uns vor dem „War Museum Cambodia“ absetzen. Der Eintritt kostete 5$ (Stand 2017) und ein Local-Guide gab uns zudem eine sehr lohnenswerte Führung. Er zeigte uns das Gelände mit den zahlreichen Waffen, grausame Bilder und nannte uns beängstigende Zahlen und Fakten. Die vielen ausgestellten Granaten liegen teilweise heute noch in gewissen Gebieten herum und stellen eine Lebensgefahr für die Menschen dar. Das Museum ist Open Air, wodurch die Ausstellungsstücke der Witterung ausgesetzt sind. Die Führung war auf jeden Fall interessant und das Museum sehr anschaulich gestaltet.
Im Reiseführer lasen wir von der Seidenfarm Artisan Angkor, welcher wir einen Besuch abstatteten. Bei der Firma handelt es sich um ein sehr erfolgreiches Sozialunternehmen und dem größten Arbeitgeber der Provinz Siem Reap. Das traditionelle Kunsthandwerk der Khmer wurde hier wiederbelebt und weiterentwickelt. Es gibt hier eine kostenlose Führung durch das Werk, was unserem Geldbeutel sehr entgegen kam. Natürlich handelt es sich nicht um die eigentliche Fertigungsstrecke, sondern um einen separaten Teil, der lediglich zum Vorführungszweck für die Touristen dient.
Wir bekamen einen guten Einblick in die verschiedenen Fertigungsschritte, die sehr anschaulich gezeigt wurden. Zunächst benötigt es eine Seidenraupe, die das notwendige Material – die Seide – produziert. Wir konnten uns die Raupen in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien anschauen. Sie ernähren sich ausschließlich von Maulbeerblättern, weswegen auch große Plantagen mit den Bäumen auf dem Gelände zu finden sind. Um den Kokon bildet sich die Puppe, aus der schließlich der Seidenfaden hergestellt wird. Daraus weben die Frauen wunderschöne Seidentücher und andere aufwendige Sachen. Sie benötigen dafür viele Stunden und dementsprechend kostspielig sind die Produkte, wie wir anschließend im Laden feststellen mussten. Dieses Kunsthandwerk hat nichts mit den billigen Imitaten zu tun, die massenweise hergestellt und auf den Märkten an die Touristen verkauft werden.